Aufruf 8. März 2021

Aufruf zum 8. März 2021 – Kurzfassung – vom Hamburger Bündnis zum Internationalen 8. März Streik

„Die Krise steckt im System! – Ohne uns steht die Welt still“

Der 8. März ist der internationale Frauenkampftag. Seit Jahrzehnten gehen wir – Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans Personen mit und ohne Behinderung – an diesem Tag weltweit auf die Straße, um unsere Erfahrungen und die gesellschaftlichen Missstände sichtbar zu machen, denen wir täglich ausgesetzt sind. Mit ausreichend Abstand und Mund-Nasen-Schutz wollen wir auch dieses Jahr wieder den öffentlichen Raum vereinnahmen und unsere unbezahlte Arbeit bestreiken.

Was wollen wir?

Wir sind solidarisch mit allen ausgebeuteten und unterdrückten Menschen und fordern das Recht auf ein freies Leben in einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwertig sind. Wir treten für eine Gesellschaft ein, in der sich jede*r frei bewegen kann, in Sicherheit und in menschenwürdigen Verhältnissen leben kann.

Wir fordern:

  • gleichen Lohn wie Männer in gleicher Position!
  • eine flächendeckende, kostenlose Kinderbetreuung und Versorgung von Pflegebedürftigen sowie eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Lohn, damit Sorge-Tätigkeiten gleichberechtigt zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden können
  • eine solidarische Antwort auf die Covid-19-Pandemie: die Privatisierung des Gesundheitsbereich muss rückgängig gemacht werden! Reproduktive Tätigkeiten wie Pflege und Erziehung müssen der Profit und Wachstumslogik entzogen, finanziell aufgewertet sowie personell aufgestockt werden!
  • unser Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung: Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren! Paragraphen 218 und 219a StGB abschaffen und sexuelle Identität in Artikel 3 Grundgesetz verankern!
  • Schluss mit dem Menstruationstabu! Kostenlose Menstruationshygieneprodukte für alle!
  • die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention sowie ausreichend Schutzräume für von Gewalt bedrohte und betroffene Menschen
  • einen gesicherten Aufenthaltstatus sowie ein ehegattenunabhängiges Aufenthaltsrecht für geflüchtete Personen und die sofortige Evakuierung aller Lager für Geflüchtete wie jene auf Lesbos oder in Bosnien! Abrüsten statt Aufrüsten jetzt!

Wir wollen keine gleichberechtigte Teilhabe an einem System, das auf Konkurrenz, Abwertung, Diskriminierungen und Ausbeutung von Mensch und Umwelt basiert. Wir kämpfen für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und einen antikapitalistischen und antirassistischen Feminismus. Der 8. März ist eine Chance diese Kämpfe zusammenzuführen und solidarisch gemeinsam aktiv zu werden.

Sei du auch dabei!

Werden wir aktiv und organisieren wir uns! Reden wir mit Kolleg*innen, Freund*innen, Töchtern, Großmüttern, Müttern, Tanten und Schwestern! Wir alle können gemeinsam die unbezahlte Arbeit niederlegen und streiken. Lasst uns, wie unsere Vorgänger*innen und Mitstreiter*innen weltweit mit allen nötigen Mitteln für ein gutes Leben für alle kämpfen. Auf dass unsere Arbeit sichtbar wird und unsere Forderungen öffentlich gehört und durchgesetzt werden!

Jeder Tag ist ein feministischer Kampftag!

Was macht uns wütend?

Seit Jahren beobachten wir mit Sorge, dass Feminizide[2] verharmlost und als angebliche „Beziehungstaten“ abgetan werden. Täglich gibt es in Deutschland Tötungsversuche an FLINTPersonen mit und ohne Behinderung und mindestens jeden dritten Tag endet einer auch tödlich. Ständig werden wir im Alltag, in Werbung und Medien oder im Beruf mit sexistischen, homo- oder transfeindlichen Kommentaren und stereotypen Geschlechtervorstellungen konfrontiert. Unsere Arbeit wird gering geschätzt und unsichtbar gemacht: Noch immer verdienen wir durchschnittlich 20% weniger als cis-Männer[3]. Zuhause leisten wir unzählige Stunden an unbezahlter Erziehungs-, Haushalts- und Pflegearbeit, die eine zusätzliche Arbeitsbelastung darstellt. Im Alter sind wir deutlich häufiger von Armut betroffen, weil ein Großteil der von uns geleisteten Arbeit nicht als solche anerkannt und entlohnt wird. Wie selbstverständlich übernehmen wir außerdem mehrheitlich die emotionale Unterstützung aller Menschen in unserem Umfeld und stellen dafür häufig unsere eigenen Bedürfnisse zurück.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurden die sozialen Ungleichheiten und bestehenden Missstände besonders sichtbar und weiter verschärft. Ja, die Pandemie betrifft uns alle, aber sie trifft nicht alle gleich. Ausgangsbeschränkungen und Lock-Down bringen viele Unsicherheiten, existenzielle Ängste ebenso wie Überstunden und Doppelbelastungen mit sich. Während das gesellschaftliche Leben zunehmend eingeschränkt wird, soll die Lohnarbeit im Sinne eines neoliberalen, kapitalistischen Wirtschaftssystems wie gehabt weiter funktionieren. Die mehrheitlich von FLINTs geleisteten „systemrelevanten“ Arbeiten im Pflegebereich oder in Supermärkten sind schon seit Langem gesellschaftlich wenig anerkannt und zu gering entlohnt, doch anstelle einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und langfristiger Sicherheit gibt es Applaus und „mit Glück“ einmalige Bonuszahlungen. Darüber hinaus stellt der Appell „Alle sollen zuhause bleiben“ insbesondere für FLINT-Personen mit und ohne Behinderung eine sehr reale Gefahr dar. Durch finanzielle Notlagen oder häusliche Enge eskalieren Konflikte, sodass die Gewalt gegenüber FLINTs mit und ohne Behinderung während der Pandemie weiter zugenommen hat. Durch Schul- und Kitaschließungen muss außerdem mehr unbezahlte Arbeit im häuslichen Bereich geleistet werden. Diese wurde auch schon vor Corona mehrheitlich von FLINT-Personen mit und ohne Behinderung erbracht – meist zusätzlich zur eigenen Erwerbsarbeit. Da Krisensituationen immer mit Unsicherheiten und Ängsten einhergehen, wächst gleichzeitig auch der Bedarf an emotionaler Arbeit, der ebenfalls überwiegend von FLINTs mit und ohne Behinderung übernommen wird, die anderen Menschen unterstützend zur Seite stehen.

[1] Das Gender-Sternchen verweist generell auf den Konstruktionscharakter von Geschlecht und soll Raum für eine eigene Definition geben.

[2] „Feminizid“ oder auch „Femizid“ bezeichnet einen geschlechterbasierten Mord an Frauen, nicht-binäre, trans und inter Personen mit und ohne Behinderungen.

[3] Cis-Männer sind die Männer, die schon bei ihrer Geburt als Männer eingeteilt wurden und sich damit identifizieren. Auch Trans-Männer sind Männer, haben aber nicht die gleichen Privilegien, sondern erfahren Unterdrückung

Hier der Link zur Website Hamburger Bündnis zum Internationalen 8. März Streik: https://fstreikhamburg.org/